Stell dich nicht so an!
Das Leben ändert sich mit Kind,
Weil viele Dinge anders sind.
Oft hört, denkt oder sagt man dann,
Ach Mensch, jetzt stell dich nicht so an!
Heute möchte ich einen ganzen Bericht einem einzigen Satz widmen. Einem Satz, den ich seit der Geburt unseres Kindes tatsächlich deutlich häufiger zu hören bekommen habe, ihn aber auch überdurchschnittlich oft selbst gedacht oder gesagt habe. Es geht dabei natürlich nicht um irgendeinen Satz, sondern um eine Aussage, die man ungefragt zugeworfen bekommt oder vielleicht genervt selbst anderen an den Kopf wirft. Ich will dir heute etwas über „Stell dich nicht so an!“ berichten.
Die Zu-Hause-Bleiber
Nach der Geburt eines Kindes bleibt in der Regel zumindest ein Elternteil eine Weile zu Hause, um sich um das Baby zu kümmern. Eltern werden wissen, dass das oftmals leichter klingt als es ist und dass die Zeit zu Hause, die Zeit ohne Arbeit, deutlich anstrengender und nervenaufreibender sein kann, als manch noch so stressiger Job. Wenn so ein Elternteil nun am Ende seiner Kräfte ist, die x-te Nacht wieder nicht geschlafen hat und sich 24/7 um das kleine Baby kümmert, dann fällt das irgendwann doch auf. Gute und liebe Freunde und Familienmitglieder stehen dann mit lieben Worten und vielleicht auch etwas Unterstützung und Entlastung zur Seite, wenn alles gut läuft.
Wenn es nicht gut läuft, trifft man auf Menschen, die dafür überhaupt kein Verständnis haben. „Du bist doch den ganzen Tag zu Hause, so gut müsste man es mal haben!“ Oder „Stell dich doch nicht so an, du hast doch sooo viel Zeit!“ Danke für Nichts kann man da nur sagen. Und ob du es glaubst oder nicht, solche Sätze bekommt man nicht nur von Kinderlosen zu hören, sondern manchmal sogar von Eltern. Wie kann das sein? Na ja, es gibt wohl auch Eltern, die ihre Elternzeit lieber für sich als für das Kind nutzen. Dabei sollte man eigentlich bedenken, dass eben nicht alle frisch gebackenen Eltern die Großeltern in der Nähe haben oder über sonstige Entlastungsmöglichkeiten verfügen.
Wenn Mama krank wird
Es bleibt nicht aus, früher oder später ist die Mama mal krank. Ich gehöre ja selbst zu den Leuten, die sich auch mal krank auf Arbeit geschleppt haben, wenn es nichts wirklich Schlimmes oder Ansteckendes war. Man fühlt sich dem Job doch irgendwie verpflichtet. Na ja, das ist gar nichts im Vergleich dazu, wenn man als Mama so richtig in den Seilen hängt und seinem kleinen Sonnenschein verpflichtet ist. Da kann der Schädel kurz vorm Explodieren sein, du dich wegen Gliederschmerzen kaum rühren können oder der Husten an einen tollwütigen Hund erinnern. Alles egal. Du denkst dir „Stell dich nicht so an“ und versuchst das Beste für den kleinen Zwerg zu machen.
Interessanter Weise scheinen wir uns aber als Mama auch mehr anzustellen, als das vorher der Fall war. Die Erklärung dafür ist einfach: Wenn wir krank sind und daher das Gefühl haben, dass wir uns nicht richtig um unseren Nachwuchs kümmern können (unabhängig davon, ob das der Fall ist oder ob wir uns das dann nur einbilden), dann belastet uns das zusätzlich. Wir sind schlechter drauf und empfinden das Krank sein als noch Schlimmer. Es mag sicher auch mit reinspielen, dass wir uns anders auskurieren müssen. Denn wenn wir früher richtig krank waren, dann haben wir uns zu Hause auf die Couch oder ins Bett gekuschelt und versucht uns möglichst gesund zu schlafen, oder? Wenn man jetzt aber so einen kleinen Wirbelwind zu Hause hat, dann ist das mit dem Gesundschlafen leider nicht drin.
Die Männergrippe
Kommen wir jetzt zu dem Moment, wenn dann der Papa krank wird. Glücklicherweise gibt es die Inkubationszeit. Denn so wird meistens sichergestellt, dass nicht Mama und Papa gleichzeitig krank sind, das wäre fatal! Doch zurück zum kranken Papa. Wenn Männer krank werden, dann bekommen sie ja gerne „Männergrippe“. Das ist dieser Zustand der Nahtoderfahrung, in welchem Männer gerne mal wollen, dass man ihre Mama anruft und sie bittet, sie gesund zu pflegen. Spaß beiseite, Männer sind einfach anders krank als Frauen, das ist sogar medizinisch bewiesen.
Nichts desto trotz sind die Mamas dann nicht sonderlich glücklich darüber, wenn sie plötzlich ein Kind mehr zu Hause haben, weil sie den eigenen Mann wie eines behandeln und pflegen müssen. Da kann es durchaus vorkommen, dass der Satz „Stell dich nicht so an“ gesagt oder zumindest gedacht wird. Besonders schlimm wird es aber, wenn der Papa nur wenige Tage vorher, als er noch gesund und die Mama noch krank war, selbst den Satz „Ach stell dich nicht so an!“ gebracht hat. Da können mal die Fetzen fliegen, oder?
Das liebe Kind
Wenn ein Baby schreit oder weint, sind frisch gebackene Eltern erstmal sofort alarmiert. Mit der Zeit lernen sie, dass dieses Verhalten nicht immer bedeutet, dass dem Kleinen etwas fehlt oder es ihm schlecht geht. Babys und Kinder probieren auch gerne ihre Grenzen aus. Sie wollen etwas Bestimmtes zu Essen haben, was sie aber nicht bekommen? Vielleicht klappt es ja mit Weinen. Etwas funktioniert nicht so, wie sie wollen oder nicht sofort? Dann schreit oder weint man, bis jemand hilft. Man hat keine Lust aufs Zähneputzen? Dann wird wild geweint! Es gibt da sicher noch viele Situationen, die Eltern hier jetzt ergänzen könnten. Je nachdem, wie oft das Kind diese Grenzen testet, wie lang oder kurz gerade der Geduldsfaden der Eltern ist, kann es auch hier dazu führen, dass wir denken oder sagen: „Kind, stell dich nicht so an!“
Wenn das Kind taffer ist als du
Dann gibt es da noch die Situationen, in denen das Kind krank ist. Meist sind das Momente, in denen den Eltern das Herz blutet. Sie wollen ihrem kleinen Engel am Liebsten die Krankheit abnehmen und sie an seiner Stelle auskurieren. Zumindest mir geht es bisher jedes Mal so. Gerade wenn Fieber mit im Spiel ist, sehen unsere kleinen Lieblinge manchmal aus wie kleine Zombies. Sie sind abgeschlagen und kraftlos, doch selten so platt, wie wir es in ihrem Zustand wohl wären. Wenn ich dann Situationen erlebe, wo mein kleiner Sonnenschein üblen Husten hat, die Nase dauerhaft läuft und beim Essen ständig Päuschen zum Luft holen gemacht werden müssen, dann habe ich echt Mitleid. Trotzdem wird gelächelt, gelacht und oftmals sogar Blödsinn gemacht. Nichts kann die Laune trüben, das bewundere ich immens! Und denke mir dann still, dass ich mich beim nächsten Krank sein auch so verhalten und mich nicht so anstellen sollte.
Die lieben Kollegen
Kehrt man nun auf die Arbeit zurück, sieht die Welt etwas anders aus als vorher. Insbesondere das Thema „Stress“ sehen viele Eltern nun mit ganz anderen Augen. Zu einem gewissen Teil ist man sicher resistenter und unempfindlicher geworden. Andererseits sieht man einige Dinge aber auch nicht mehr so eng und lässt sie nicht mehr so an sich ran. Umstände, die früher zu Hektik und Schweißausbrüchen geführt haben, löst jetzt vielleicht nur noch ein müdes Lächeln aus. Denn du weißt: Wahrer Stress ist der 24/7 Job zu Hause, der dich teilweise tagelang den Schlaf, die Nerven und jegliche Kraft kostet. So kann es kommen, dass du mit deinem neuen Blick auf die Dinge nun zu deinen Kollegen schaust, die sich jetzt super gestresst fühlen und dir denkst: „Hey komm, stell dich nicht so an!“.
Der Rest der Welt
Der veränderte Blick auf die Welt gilt natürlich nicht nur für die Arbeitsstelle, sondern auch für den Rest der Welt. Als Mama oder Papa dreht sich die Welt nun um ganz andere Probleme als vorher. Wenn du dann hörst, dass deine Freundin vom Feiern soo fertig war, dass sie das halbe Wochenende verschlafen hat und deswegen zu gar nichts kam, dann kann dir schon mal der Satz „Stell dich nicht so an, ich kann gar nicht mehr ausschlafen und bin meist schon fertig, bevor du überhaupt feiern gehst!“ auf den Lippen liegen. Oder wenn dein Kumpel meint, dass die Welt zusammenbricht, weil sein PC abgestürzt ist, dann denkst du dir vielleicht: „Stell dich nicht so an, wenn du mit deinem schwer kranken Kind zu unmöglichen Zeiten beim Notarzt sitzt, das ist wirklich schlimm!“
Bei solchen Situationen muss man jedoch immer aufpassen, was man wirklich sagt. Es kommt sonst gerne zu Problemen und Missverständnissen. Den Eltern wird schnell vorgeworfen, dass sie doch nur neidisch sind, weil sie jetzt nicht mehr so flexibel sind. Das mag auch mal sein, vielleicht sind wir auch mal neidisch, vielleicht mal ein wenig eifersüchtig, aber Fakt ist, dass für Eltern die Welt eben etwas anders funktioniert. Man hat plötzlich Probleme, Situationen und Hürden, an die man vorher nie gedacht hätte und die einen weit mehr aus der Bahn werfen können, als alles andere. Man tickt anders und hat vielleicht im Eifer des Gesprächs nicht gleich dran gedacht, dass man früher auch so gedacht hat, wie das Gegenüber.
Abschluss-Gejammer
Das Ganze könnte man wohl ewig weiterspinnen. Doch lange Rede, kurzer Sinn. Mich hat der Satz nun so oft beschäftigt, dass ich einfach mal darüber schreiben wollte. Dabei muss ich gestehen, dass es mich wirklich gut getroffen hat. Ich habe super liebe und hilfsbereite Menschen um mich, die uns bei Bedarf gerne unterstützen. Und ich habe einen wundervollen Mann, der ein noch tollerer Papa ist. Dennoch sind wir von diesem Satz eben nicht verschont oder ausgenommen.
Vielleicht hören wir ihn oft, vielleicht sagen oder denken wir ihn oft, doch sollten wir nie vergessen, dabei immer respektvoll mit unserem Gegenüber umzugehen! Manchmal hat man etwas schneller gesagt, als dass man darüber nachgedacht hat, das ist sicher jedem von uns schon mal passiert. Deswegen sollte man nicht gleich aus der Haut fahren. Und wenn man doch mal an jemand völlig verständnisloses gerät, so kann man sich zukünftig auch versuchen aus dem Weg zu gehen.
Und nun geloben wir alle feierlich, uns beim nächsten Mal nicht mehr so anzustellen 😉
Passend dazu will ich dir an dieser Stelle gerne meinen „Heute schon gelächelt?“ Bericht vorstellen. Und kennst du schon meinen Erfahrungsbericht zum Kinderwagenschlaf?
Wie siehst du das Thema? Hast du den Satz auch schon zu hören bekommen oder ihn selbst gesagt? Wenn ja, kannst du in den Kommentaren gerne davon berichten! Ich bin gespannt auf deine Geschichten!
Liebe Grüße
Tenja Tales