Die Schneiderin des roten Drachen – Teil 2
Im blauen Kleid und schnell frisiert,
Schaut sie was vor der Tür passiert.
Voll Neugier muss sie nicht lang warten,
Wird bald ins Abenteuer starten!
Viel zu lange hat es gedauert… Den ersten Teil der Schneiderin des roten Drachen gab es am 27. Juli 2018 auf meinem Blog zu lesen. Das ist schon sehr lange her. Die arme Myriel und sicher auch der eine oder andere Leser mussten sehr lange auf die Fortsetzung der Geschichte warten. Doch jetzt ist es so weit. Es geht weiter und das Abenteuer fängt jetzt doch gerade erst an!
Die Schneiderin des roten Drachen – Teil 2
Myriel war von Natur aus ein sehr neugieriger Mensch. Schnell hob sie das Kleid ein wenig an und eilte zu ihrem Fenster, das direkt auf die Straße gerichtet war. Eine große Kutsche mit zwei stattlichen Pferden kam direkt neben ihrer Schneiderei zum Stehen. Blauer Stoff zierte die Seiten der schneeweißen Pferde und Myriel stockte kurz der Atem, als sie das Wappen sah: Ein großer Berg, über dem ein Drache zu sehen war. Das war das Wappen des Herzogs des Drachenbergs. Das einzige Herzogtum im ganzen Land, das einen Drachen in seinem Wappen trug. Und es war mit der Kutsche mindestens eine dreitägige Reise entfernt. Was sollte ein Abgesandter des Herzogs hier in Narla wollen? Und wieso hielt er genau vor ihrem Laden an?
Ganz in Gedanken versunken, bemerkte Myriel erst spät, dass bereits jemand aus der Kutsche ausgestiegen war und sich auf dem Weg zu ihrer Ladentür befand. Schnell wand sie sich vom Fenster ab und eilte in Richtung ihrer Umkleide. Dabei vergaß sie jedoch, den Saum ihres Kleides anzuheben, so dass sie nach wenigen Schritten ins Stolpern kam. Nur knapp konnte sie dem kleinen Tisch neben der Umkleide ausweichen, bevor sie gänzlich das Gleichgewicht verlor und blindlings durch den Vorhang fiel. Just in diesem Moment öffnete sich die Ladentür. Zum Glück hatte sie sich nicht im Vorhang verfangen oder ihn heruntergerissen, so dass er hinter ihr wieder seine ursprüngliche Form einnahm und den Eindruck einer besetzten Umkleidemöglichkeit erweckte.
Durch das Klingeln des Türglöckchens alarmiert, unterdrückte Myriel den Ausruf eines Fluches über ihre schmerzenden Hände und das schmerzende linke Knie. Schnell erhob sie sich und prüfte die Unversehrtheit ihres Kleides, bevor sie den Vorhang zur Seite schob und ihrem Besucher entgegen trat. Dieser machte sogleich eine leichte Verbeugung: „Verzeiht, werte Dame, ich wünsche die Schneiderin des roten Drachen zu sprechen.“
Myriel schenkte dem fein gekleideten Herren, dessen Brust ebenfalls das Wappen des Drachenbergs zeigte, ein Lächeln, hob ihr Kleid ein wenig an und machte einen Knicks: „Seid willkommen, mein Herr, ihr steht bereits vor ihr. Verzeiht mir die unangemessene Kleidung. Ich habe gerade ein neues Stück für mich beendet und wollte es nur kurz anprobieren.“
Sogleich musterte der Herr Myriel neugierig und betrachtete eingehend ihr frisches Werk, ohne dabei unhöflich oder aufdringlich zu werden. „Es ist ein wundervolles Stück und diese Farbe! Bei der Schneiderin des roten Drachen hatte ich eher etwas Rotes vermutet. Doch wo sind meine Manieren. Darf ich mich vorstellen: Gerion Dranus, Abgesandter des Herzogs des Drachenbergs.“
„Freut mich euch kennenzulernen. Ihr wisst ja bereits, wer ich bin. Und vielen Dank für eure Worte. Das Rot hat eine lange Geschichte, doch ich bin mir sicher, dass euch etwas anderes zu mir bringt, als diese Frage. Was kann ich für euch und den Herzog des Drachenbergs tun?“
„Da habt ihr natürlich Recht, wenn auch nur zum Teil. Nun denn, der Herzog hat von euch und eurer Kunst gehört. Die Gewänder der Schneiderin des roten Drachen werden auf vielerlei Festen getragen und eure Stickerei ist hinlänglich bekannt. Wie ihr wisst, ist der Drachenberg das einzige Herzogtum, welches einen Drachen im Wappen hat. Und ihr seid die einzige bekannte Schneiderin, die sich dieses Symbols ebenfalls bedient.“
Für einen Moment stockte Myriel der Atem. Hatte sie etwas falsch gemacht, indem sie sich das Wappen eines Drachen zu eigen gemacht hatte? Dabei zeigte ihre Stickerei stets nur den Drachenkopf und selbst dieser unterschied sich deutlich vom Drachen des Drachenbergs. Doch bevor sie sich in ihren Gedanken verlieren konnte, sprach der Abgesandte weiter: „Der Herzog würde euch gerne kennenlernen und schickt mich daher, um euch nach Drachenberg einzuladen. Sollte dieses Kennenlernen euren guten Ruf bestätigen, so wird der Herzog euch gerne in seine Dienste aufnehmen.“
Das Erstaunen stand Myriel ins Gesicht geschrieben, bevor sie zwei tiefe Atemzüge nehmen konnte und versuchte, sich wieder zu fangen. Eine kleine Schneiderin wie sie hatte es geschafft, das Interesse eines Herzogs zu erwecken. Und nicht nur das, er gab ihr sogar die Chance, in seine Dienste aufgenommen zu werden. Es war für Myriel ein großer Schritt und auch Aufstieg gewesen, hier in Narla Fuß fassen zu können, doch für einen Herzog zu arbeiten, würde das um Weiten übertreffen.
Wieder riss Gerion Dranus sie aus ihren Gedanken: „Der Herzog wünscht, dass ihr einige Kostproben eurer Arbeit mitbringt. Ich habe draußen eine große Truhe auf der Kutsche, die euch dafür zur Verfügung steht. Wenn ich mir erlauben darf, so möchte ich euch empfehlen, dieses wundervolle Kleid ebenfalls mitzunehmen, zumal es den Farben des Herzogs näher ist, als euer rot. Wir reisen morgen nach Tagesanbruch ab, ich werde euch hier abholen. Um mögliche Ausfälle aufgrund eurer Abwesenheit wird der Herzog sich kümmern und diese begleichen.“
Der Abgesandte verbeugte sich erneut, was Myriel andeutete, dass er wieder gehen wollte. Schnell sammelte sie sich, um angemessen zu reagieren: „Habt vielen Dank für das großzügige Angebot und die Einladung des Herzogs. Ich werde sofort alles veranlassen, um euch morgen früh begleiten zu können.“
Ihr Gegenüber nickte, bewegte sich zur Eingangstür und öffnete diese. Wie auf ein unausgesprochenes Kommando kamen zwei Diener mit einer großen Truhe herein, die sie rechts neben der Tür abstellten und sofort wieder nach draußen verschwanden. „Sodann sehen wir uns nach Sonnenaufgang. Gehabt euch wohl.“ Mit diesen Worten verließ der Abgesandte den Laden und wartete nicht auf eine Verabschiedung von Myriel, die immer noch etwas perplex vor ihrem Vorhang stand.
Fortsetzung folgt
Die Geschichte ist endlich ein wenig gewachsen und definitiv noch nicht am Ende. Die Idee für den nächsten Teil steht schon grob, so dass es dieses Mal nicht so lange dauern sollte, bis eine Fortsetzung erscheint.
Kennst du schon meine Berichte über das Fantasy-Kochbuch „Roter Drache in Aspik“ oder meine Rezension zum Buch „Drachenmahr„?
Liebe Grüße
Tenja Tales